Will ich das Gewächs einmal ignorieren, weil ich anderes zu tun habe, trägt man es mir hinterher. Will ich nur ein paar Blättchen unter den Salat oder den Spinat mischen, bekomme ich totsicher einen Hilferuf von einer überforderten Gärtnerin. Von Pia zum Beispiel. Und zwar spätestens dann, wenn sich die ersten Bärlauch-Knospen zeigen. Pias Garten grenzt an einen kleinen Bachlauf, an dem sie vor etlichen Jahren zu dessen Befestigung Erlen gepflanzt und darunter unbedachterweise ein Tütchen Bärlauchsamen ausgestreut hat. Ich glaube, sie hat es längst bereut, aber jetzt ist es zu spät.
Ein Bärlauch-Meer im Garten
Alljährlich im März explodiert in ihrem Garten der Bärlauch und wenige Wochen später ist dieser voller weißer Blütensterne. Es müssen Millionen sein. Das hört sich nett an und sieht ebenso nett aus, aber wer von einem solchen Garten umgeben ist und von März bis Mai beim Luftschnappen auf der Terrasse und bei sämtlichen Gartenarbeiten nur Knoblauchduft schnuppert, der weiß, dass man den Bärlauch auch mal satthaben kann. Also helfe ich Pia gerne noch Schlimmeres zu verhindern, indem ich das Aussamen des Wildkrauts eindämme. Ehrlich gesagt, ich weiß nicht genau, ob es hilft, wenn ich mit einer Schere anrücke und die noch geschlossenen Blütenknospen vor dem Aufblühen abzwicke, aber eines weiß ich bestimmt: Die daraus hergestellten falschen Kapern schmecken unnachahmlich gut.
Und während die einen am Bärlauch verzweifeln, wächst in anderen Breiten gar keiner oder nur ganz wenig, das habe ich von den Freunden Annette und Ingolf aus dem Südburgenland erfahren. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass der Bärlauch ein Frostkeimer ist und die Temperaturen im Südburgenland auch im Winter selten länger eisig sind. Dafür gibt es vor Ort die schrillsten Bohnensorten, das berühmte Kürbiskernöl und den sagenumwobenen Uhudler-Wein aus unveredelten Reben, auch wenn mir Annettes Uhudler-Marmelade besser schmeckt als der Wein.
Frischer Bärlauch als Geschenk
Als ich die beiden Auswanderer und Selbstversorger einmal im April besuchte, wollte ich ihnen gerne etwas aus ihrer alten Heimat mitbringen. Das war gar nicht so einfach. Auf mein Bärlauch-Pesto waren sie nicht scharf, stattdessen auf frischen Bärlauch. Diesen habe ich am Morgen vor der 8-stündigen Zugfahrt geerntet und mehrfach in Plastiktüten verpackt. Leider hat das alles nicht geholfen. Ab Salzburg hatte ich ein Abteil für mich alleine, aber nachdem das peinliche Gefühl überwunden war: „Oh Gott, die denken, du hast ein ganze Knolle Knoblauch verspeist“, habe ich die Fahrt genossen und mich über sämtliche Sitze ausgestreckt. Diesen Versuch will ich in der diesjährigen Bärlauch-Saison wiederholen – während des Berufsverkehrs in der überfüllten Bahn. Mal sehen, ob er wieder gelingt.
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