Blauer Himmel, strahlender Sonnenschein: Herbstastern und Rudbeckien geben noch mal alles. Der Altweibersommer treibt die Menschen raus in die Natur. Die Kleingärtner nutzen die sonnigen Oktobertage für Herbstarbeiten. Es gibt noch einiges zu tun vor der Wintersaison. An solchen Tagen kommen immer wieder Zaungucker vorbei – Menschen, die voller Neid und Ehrfurcht über die Hecken in die blühenden Gärten spähen. Einen solchen zu ergattern ist in vielen Städten wie ein Sechser im Lotto. Die Wartelisten sind lang und in der Millionenstadt München ein knappes Gut. Insbesondere seit Corona wünschen sich immer mehr Menschen einen Selbstversorgergarten.
Ein Drittel der Kleingärtner sind über 75
„Wir bekommen im Jahr über hundert Anfragen“, so Christina von Hehn, Vorstandsvorsitzende der Kleingartenanlage SW54 im Süden Münchens. Frei würden jedes Jahr in der Regel aber nur ein bis drei Gärten. Da dauere es schon Jahre, bis man an eine der Parzellen gelangt. „Auch wenn es körperlich nicht mehr geht, kann sich die ältere Generation halt nur schwer von ihrem Garten trennen.“ Verständlich. Für viele betagte Gärtner spielt sich dort das Sozialleben ab. Es ist ein Stück Heimat. Aber die Verteilung ist nicht ganz gerecht. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, 35 Prozent der Kleingärtner sind über 75 Jahre alt. Im Vergleich: In der Stadt München sind es nur 18 Prozent.
Generationenwechsel mit Generationengarten
Doch es kommt Bewegung in die Schrebergärten. In den Kleingartenanlagen des Landes findet ein Generationenwechsel statt. Auch weil Gärtnern derzeit Trend ist. Und mit der jungen Generation kommen frischer Wind und neue Ideen in die Schrebergartenwelt. „Wir haben den Bewerbungsprozess überarbeitet. Wir wollten, dass er transparenter und gerechter wird. Gleichzeitig haben wir uns gefragt, wie die Älteren Teil der Gartengemeinschaft bleiben können, auch wenn sie ihren Garten aufgeben müssen.“ Die Lösung war schnell gefunden: ein Senioren-Garten für ehemalige Kleingärtner. Doch das Problem blieb: Wer macht dort die schweren Arbeiten? Und so sei die Idee für den Generationengarten entstanden. Man schlägt praktisch zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Jungen packen mit Feuereifer an und die Gartenprofis teilen ihr Expertenwissen mit der neuen Generation.
Win-Win für Jung und Alt
So gärtnern seit Juni 2022 alte Gartenhasen und junge Neugärtner gemeinsam auf einer 250 Quadratmeter großen Parzelle. Dort hat die Kleingartengemeinschaft sechs große Hochbeete gebaut, die nun von zehn Gärtnerinnen bepflanzt werden. Die 36-jährige Lehrerin Elisabeth Witt ist eine von Ihnen. Sie steht auf der Warteliste für einen Schrebergarten. Nun darf sie sich schon mal im Generationengarten ausprobieren und bepflanzt seit Juni 1,5 qm Hochbeet.
Im Hochbeet daneben gärtnert die 75-jährige Christiane Bullinger. Sie musste aus gesundheitlichen Gründen ihren Kleingarten vor ein paar Jahren aufgeben. „Ich habe immer ganz neidisch zu Christianes Beet rübergeschaut, wie dort alles sprießt, sagt Elisabeth. Sie hat viele Fragen an die erfahrene Gärtnerin Christiane und erhofft sich Tipps aus der Profipraxis. „Ich finde den Generationengarten ein total schönes Konzept“, sagt sie. Auch Christiane freut sich über diese neue Chance. Sie hat ihren Garten nur schweren Herzens aufgegeben. „Ich hatte damals als zweiter Vorstand schon mal die Idee, es bräuchte einen Gemeinschaftsgarten für ehemalige Gärtner.“ Als sie von dem Projekt Generationengarten gehört hat, hat sie sich sofort angemeldet. Für sie sei das Modell ideal. „Mir gefällt das Miteinander von Jung und Alt und es ist total angenehm, wenn man nicht für alles alleine zuständig ist.“
Ich fände es fair, wenn wir die wenige Fläche mehr teilen und mehr Leute daran teilhaben können.

Generationengarten: Modell für die Zukunft
Bisher ist das Verhältnis von Jung und Alt im Generationengarten allerdings noch nicht ausgeglichen. Die älteren Gärtner sind noch zurückhaltend, was die Teilnahme angeht. „Es ist immer schmerzhaft, wenn man etwas verabschieden muss“, weiß Christiane aus eigener Erfahrung. Wer nicht unbedingt muss, gibt einen Garten nicht einfach auf.
"Das Projekt ist noch im Probelauf“, so sieht es die Mitinitiatorin Christina von Hehn. Es muss sich noch bewähren. Aber das gemeinschaftliche Gärtnern bringt viele Vorteile. Man kann nicht nur voneinander lernen. Wer einen Garten teilt, teilt auch die Arbeit. Zum Gießen in den heißen Sommermonaten findet sich immer eine Urlaubsvertretung. Und man lernt neue Menschen kennen. "Gerade in diesen Zeiten wird der Gemeinschaftsgedanke wieder wichtiger, findet Christiane. „Weil man gemeinschaftlich immer mehr bewegen kann als alleine.“
Vorstandsvorsitzende von Hehn sieht im Generationengarten ein Modell für die Zukunft. „Mein großer Traum ist, dass das Konzept Schule macht, dass es Nachahmer gibt. Bezahlbares Grün für alle. Ich fände es fair, wenn wir die wenige Fläche mehr teilen und mehr Leute daran teilhaben können.“
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