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Sommerflieder, Springkraut, Goldrute - Warum Neophyten besser als ihr Ruf sind

Neue Arten wie Goldrute oder Springkraut bedrohen die Artenvielfalt. Der Botaniker Jürgen Feder erklärt im Interview, warum Neophyten für die heimische Natur auch nützlich sein können.

Blühendes Springkraut
Das aus Indien stammende drüsige Springkraut gilt als stark invasiver Neophyt.
Portrait-Jürgen-Feder
Jürgen Feder, Botaniker und Autor des Buchs: "Der Segen der Einwanderer"

Jürgen Feder bricht in seinem Buch "Der Segen der Einwanderer" eine Lanze für Neophyten.  Der Botaniker nimmt den Leser darin mit auf eine Reise durch Deutschlands „neue“ Pflanzenwelt. Er lenkt den Blick auf die Artenvielfalt in Städten, Bahnhöfen und entlang der Autobahnen. Er stellt die kleinen, unauffälligen und wenig bekannten Neophyten vor, die diese neuen Biotope bereichern. 111 Neophyten stellt er in seinem Werk vor. Weniger als zehn würde er als echte Problempflanzen bezeichnen.

Neophyten sind ein kontrovers diskutiertes Thema. Was hat Sie dazu bewogen, sich auf ihre Seite zu schlagen?

Es kann nicht sein, dass wir durch den Klimawandel ungefähr 500 Arten verlieren und es darf keine neue dazukommen. Es müssen und werden Arten hinzukommen, auch wüchsige. Es gibt heimische Pflanzen, die abgehen wie Schmidts Katze, der Bärlauch zum Beispiel, und keiner regt sich darüber auf. Diese Doppelmoral verwundert mich.

Neophyten sind ja nicht neu. Seit wann und warum nehmen sie zu?

Die Reisetätigkeit und -geschwindigkeit hat sich in den letzten 30 Jahren beschleunigt – auch die von Pflanzen. Mittlerweile wachsen in Gärten so viele verschiedene Arten, von denen schon mal eine ausbüxt. Außerdem sorgt der Klimawandel für die Ausbreitung. Die meisten Neophyten sind trockenresistent, licht- und stickstoffliebend.

Sie schreiben von wenigen echten Problempflanzen. Muss die heimische Natur vor denen beschützt werden?

Der Japanische Knöterich, der Bastard-Knöterich und die Späte Traubenkirsche sind Arten, von denen ich sagen muss: Die brauchen wir hier tatsächlich nicht. Auch die Silberblättrige Taubnessel breitet sich rasant aus. Das kleine Immergrün ist heimisch in Bayern, aber ein echtes Problem in Niedersachsen. Wenn ich durch den Wald gehe und sehe da zwei Quadratmeter Knöterich, die zieh’ ich raus. Bei riesigen Flächen kommen wir allerdings Jahre zu spät. Wenn man wirklich etwas gegen eine Art unternehmen will, braucht es Zeit und ein Konzept.

Wie kann man verhindern, dass Zierpflanzen aus fernen Ländern sich über den Gartenzaun verbreiten?

Gartenabfälle dürfen nicht im Wald, in Gräben oder an Bahngleisen landen. Das passiert leider zu oft! Städte und Kommunen kümmern sich nicht um diese Art der illegalen Abfallentsorgung. Aber wenn aus einem Auto Öl tropft, dann ist die Polizei sofort zur Stelle.

Wandern zusammen mit den Pflanzen aus der Ferne auch neue Insekten ein?

Ja, auch die Insektenwelt hat sich verändert. Aber die neuen Insekten kommen nicht unbedingt gleichzeitig mit den Pflanzen. Man hat Neophyten immer vorgeworfen, unsere Insekten könnten mit ihnen nichts anfangen. Jetzt stellt sich raus: Auf jedem Neophyt sitzen auch heimische Insekten. Sie mussten sich nur erst dran gewöhnen. Ich brauche auch zwei Jahre, bis ich scharfes Essen vertrage, wenn ich es vorher nicht kannte.

Sie sehen die Neophyten auch als Hoffnungsträger für die Zukunft?

Wir haben ein Artensterben! Es muss Pflanzen geben, die diese Plätze einnehmen. Das werden vor allem Arten sein, die mit dem sich verändernden Klima zurecht kommen, also häufig Pflanzen aus anderen Klimazonen. Die Robinie etwa hat in unseren Wäldern eine Zukunft. Sie liebt es trocken, wurzelt sehr tief, man kann Honig von ihr gewinnen, das Holz ist nutzbar. Wir sollten froh sein über jede Pflanze, die Sauerstoff produziert. Wenn man sie obendrein noch nutzen kann, wenn sie attraktiv für Tiere ist, umso besser. Jede Pflanze hat eine Chance verdient.

Der Segen der Einwanderer, erschienen bei Gräfe und Unzer, 208 Seiten, ISBN 978-3-8338-8029-2, 18,99 €.

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