Regnet es im Sommer, duftet die Waldluft nach ihnen. Ist es feucht und mild, schieben sie bald ihre Köpfchen durch den weichen Waldboden. Pilze! Schätzungsweise 14.000 verschiedene Arten gibt es allein in Deutschland - mehr als Pflanzen (rund: 9.500 Arten). Davon sind etwa 6.000 Großpilze mit Stiel und Hut. Aber nur zirka 200 Arten gelten als schmackhafte Speisepilze.
Nicht wenige Speisepilze haben giftige Doppelgänger, die man leicht verwechseln kann. Wer sich beim Pilze sammeln vergreift, riskiert nicht selten sein Leben. Um ein Pilzkenner zu werden, braucht es viel Erfahrung. Warum Handy-Apps nicht helfen und wie man als Anfänger Wildpilze sicher bestimmen lernt, das erklären Pilzexperten bei der Münchner Pilzberatung.
Finger weg: Pilze bestimmen mit App
Immer wieder kommt es zu lebensgefährlichen Vergiftungen durch Wildpilze - Tendenz steigend. Während die Menschen noch vor einigen Jahrzehnten ihr Wissen über Wildpilze an ihre Kinder weitergaben, können heute nur noch wenige Speisepilze bestimmen. Aber dafür gibt es ja jetzt Handy-Apps, denken sich einige. Pilzexperten warnen allerdings davor, sich auf Apps zur Pilzbestimmung zu verlassen. Warum?
„Ein Problem bei der Pilzbestimmung mit dem Handy ist, dass die Bildschirme in den meisten Fällen nicht kalibriert sind und eine Farbneutralität nicht gegeben ist.“, erklärt Helmut Grünert, Pilzexperte der Münchner Pilzberatung. Bei rund 6.000 Großpilzarten sei es zudem schwierig diese Artenvielfalt in einer App abzudecken. Außerdem hätten viele Pilze im Gegensatz zu Pflanzen keine konstanten Merkmale. „Bei Pilzen gibt es unheimlich viel Ausreißer, denn die Merkmale des Fruchtkörpers sind extrem variabel“, so Grünert.
Bei Pilzen gibt es unheimlich viel Ausreißer, denn die Merkmale des Fruchtkörpers sind extrem variabel.
Helmut Grünert, Pilzexperte der Münchner Pilzberatung
Pilze bestimmen: Tipps von Pilzexperten
Besser als Handyapps seien Pilzbestimmungsbücher. Aber auch mit Pilzbüchern könne man schnell falsch liegen, denn Fotos können stark abweichen von einem Exemplar in der Realität. Bei Unsicherheit sollte immer ein erfahrenen Pilzkenner einen Blick auf den Fund werfen. In München haben Pilzsammler die Möglichkeit im August und September jeden Montag in die Pilzberatung im Rathaus zu kommen. Dort werden gesammelte Pilze von Pilzexperten wie Grünert sicher bestimmt.
„Am besten konzentrieren sich Anfänger auf eine oder zwei Pilzarten“, rät seine Frau Renate Grünert, die ebenfalls geprüfte Pilzsachverständige ist. „Es macht keinen Sinn wild alles mögliche zu sammeln und dann mit einem Korb voller unbekannter Pilze vorbeizukommen.“ Der Lerneffekt sei dann gleich Null. Bei Pilzexkursionen sollte man darauf achten, dass die Gruppen nicht zu groß sind. Sonst nehme der Einzelne zu wenig praktisches Wissen mit.
Mit Röhrlingspilze einsteigen
Anfängern rät Gründert, sich zu Beginn an Röhrlinge zu halten. Das sind Pilze, die an der Unterseite der Kappe eine Art Schwamm aus feinen Röhren haben. Dazu zählen zum Beispiel Steinpilze. „Unter den Röhrlingspilzen gibt es zwar auch giftige Exemplare, aber keine die tödlich sind“, so Grünert. So riskiert man zumindest nicht sein Leben. Aber auch Röhrenpilze solle man nicht ohne Kenntnisse sammeln. Der Satansröhrling, zum Beispiel, sei zwar ein Röhrling, aber er verursacht bei Genuss Erbrechen und Durchfall. Auch das könne ins Auge gehen. Man erkennt ihn jedoch relativ leicht an seinen roten Poren an der Hutunterseite siehe der Abbildung.
Vorsicht bei Lamellenpilzen
Finger weg von Lamellenpilzen, so der Rat für Pilzneulinge. Unter den Pilzen mit Lamellen finden sich einige sehr giftige Exemplare wie den weißen, grünen oder kegelhätigen Knollenblätterpilz. Der Verzehr kann zum Tod führen und ist laut Giftnotruf einer der häufigsten Ursachen von Pilzvergiftungen, da der weiße Lamellenpilz gerne mal mit dem Wiesenchampignon verwechselt wird.
Zur Knollenblätterpilzfamilie gehören aber auch essbare Exemplare wie der Scheidenstreifling. Nur wer genau hinsieht, erkennt den Unterschied. Grünert erklärt: „Der Scheidenstreifling hat im Gegensatz zum giftigen Knollenblätterpilz einen gerieften Hutrand.“ Für Laien: Der Hut besitzt am Rand feine Rillen. Außerdem fehlt ihm die Manchette rund um den Stiel. Wer kein erfahrener Pilzsammler ist, solle aber lieber die Finger vom Scheidenstreiflingen lassen, so Grünert. Die Verwechslungsgefahr mit den giftigen Brüdern sei einfach zu groß.
Und auch der bekannte Pfifferling hat einen tödlichen Zwilling. Der spitzbuckelige Raukopf ist richtig giftig. Heimtückisch ist: Vergiftungssymptome können bis zu 3 Wochen später auftreten. Dann ist die Niere meist schon irreparabel geschädigt.
Pilze mit Pilzbuch bestimmen
„Das Problem ist oft, dass die Leute immer nur die Bilder ansehen und nicht die Beschreibung durchlesen“, sagt Renate Grünert. Für die Pilzbestimmung reiche das aber nicht. Man solle immer die Beschreibung genau studieren, denn es seien oft Kleinigkeiten, die den Unterschied machen und nicht unbedingt auf den ersten Blick sichtbar sind. „Wenn ich bei meinem Pilz nicht genau vorfinden, was in der Beschreibung steht, dann bitte werfen Sie den Pilz unbedingt weg.“ Steht in der Beschreibung zudem ein Hinweis: „Verwechslungsgefahr mit Giftpilzen“, dann sollten Anfänger kein Risiko eingehen. Am besten beschränken sich Laien zu Beginn ohnehin auf ein bis zwei Röhrlingsarten, die sie mithilfe eines guten Pilzbuchs bestimmen lernen.
Welches ist das beste Pilzbuch?
Es ist fast wie bei den Pilzen selbst: Die Suche nach einem geeigneten Pilzbuch. Denn Pilzführer sprießen fast so zahlreich wie Schwammerl. Welches Pilzbestimmungsbuch ist also für Anfänger geeignet? Auch hier gilt die Devise: Weniger ist mehr. Es muss nicht gleich das große Pilzlexikon sein, denn das überfordert einen Laien schnell. Der Pilzführer „10 Pilze“ beschränkt sich, wie der Titel schon sagt, auf 10 sicher bestimmbare Exemplare. Er trägt zudem das Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, die das Buch genau unter die Lupe genommen und für empfehlenswert befunden haben.
Artikel teilen
Weitere Funktionen